Der große Wurf? Wie Politiker Gesundheitsreformen verkaufen – und was Praktiker dazu meinen
Nein, es gibt nicht nicht nur die MEDICA mit ihren diversen Kongressen in diesen Tagen. Da hatte die Wochenzeitung DIE ZEIT gemeinsam mit dem Gesundheitskonzern ASKLEPIOS am 17.11.2015 nach Hamburg geladen, um im Rahmen der „ZEIT Konferenz Gesundheit“ über das Thema „Qualität und Patientensicherheit im Krankenhaus“ zu diskutieren. Da war es schon spannend in einer Keynote durch Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) und dem stellv. Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Prof. Dr. Karl Lauterbach die wesentlichen Punkte des Krankenhausstrukturgesetzes erläutert zu bekommen.
Für Widmann-Mauz ist es schlicht ein „mutiges und ambitioniertes Programm“ mit dem Ziel, das Gesundheitssystem „zukunftsfest“ zu machen. Man schaffe den Rahmen für „Qualität und Wettbewerb“, um den „medizinischen Fortschritt positiv in der Gesellschaft umzusetzen“. Wesentliche Eckpunkte bilden dabei für die Staatssekretärin die im Gesetz verankerte Qualitätssicherung, welche durch die Bundesländer nun auch Einfluß auf die Krankenhausplanung nehmen solle sowie die Qualitätsorientierte Vergütung (pay for performance) mit den jeweiligen durch den Gemeinsamen Bundesauschuss (GBA) festzulegenden Zu- und Abschlägen. Für mehr Patientensicherheit werde zukünftig durch „mehr Transparenz, Information und Aufklärung“ auch mehr getan, da beispielsweise Qualitätsberichte in verständlicher Sprache zeitnah online gestellt werden müssten. Und dann soll der Pflegezuschlag dabei helfen, dauerhaft mehr Personal zu beschäftigten und Tarifsteigerungen abzufangen.
Auch SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach zeigte sich hochzufrieden. Das Gesetz sei „ein Prozeß“, und man müsse jetzt zunächst abwarten wie es sich in der Praxis bewähre. Wie Widmann-Mauz sieht Lauterbach die Aspekte Qualitätsentwicklung, Transparenz und Wettbewerb als entscheidend an.
Praktiker glauben noch nicht an den Erfolg
Alles Harmonie? Fast, könnte man meinen, wenn da nicht die Praktiker wären. Zum Beispiel Bernhard gr. Broermann. Der Gesellschafter der ASKLEPIOS-Gruppe findet das „Gesetz im Grunde richtig“, sieht aber einen „Fehler, der das alles zunichte macht“: gemeint ist der im Gesetz vorgesehene Mehrleistungsabschlag. Wirtschaftlichkeit, Qualität, Wachstum und damit auch Patientensicherheit läßt sich für den Gründer der ASKLEPIOS-Gruppe durch Fallkonzentrationen in Zentren erreichen. Das bedeute aber dann Fallzahlsteigerungen durch Wachstum, was durch den Fixkostendegressionsabschlag von 165 Prozent gerechnet auf drei Jahre verhindert werde. Leistungen zu konzentrieren führe zu mehr Qualität, Sicherheit für den Patienten, verhindere Fehler und seit deutlich wirtschaftlicher. Jetzt könne keiner mehr ein Interesse daran haben, Mehrleistungen zu erbringen.
Wulf-Dietrich Leber, Leiter der Abteilung Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband, bemängelte, dass das Gesetz keine Regelung für Überkapazitäten vorsehe: „Wir haben in Deutschland zu viele Krankenhäuser und zu viele Standorte gefährden die Patienten“, machte sich der Kostenträger-Vertreter für eine Konzentration der Angebote stark. Lebers Beispiel: im Ruhrgebiet gäbe es bei ähnlicher Fläche und Bevölkerungszahl doppelt so viele Krankenhäuser wie in den Niederlanden. Von einer Unterversorgung der Niederlande sei aber nichts bekannt.
Noch stehen die Praktiker also dem „großen politischen Wurf“ Gesundheitsstrukturgesetz skeptisch gegenüber. Am Rande wurde dann auch noch erwähnt, dass das neue Gesetz Steuerzahler und Versicherten Milliarden in den nächsten Jahren kosten werde und pünktlich vor der nächsten Bundestagswahl möglichst große Wirkung entfalten soll.