Konfliktklärung im Gesundheitswesen: früh handeln, wirksam führen
Wenn das Wort „Mediation“ schon alle nervös macht
Vielleicht kennen Sie dieses Bild: Ihr Team läuft seit Wochen auf dünnem Eis. Die Stimmung kippt schneller als Ihnen lieb ist, kleine Bemerkungen treffen plötzlich härter, Übergaben ziehen sich, und in der Dienstplanung scheint sich jede Unstimmigkeit zu verdichten. Sie spüren, dass die Atmosphäre sich verändert. Mitarbeiter reden nicht mehr miteinander, sondern vorzugsweise übereinander. Wenn etwas nicht funktioniert, sind Schuldzuweisungen an der Tagesordnung. Und dann fällt in einem Meeting dieses Wort, das in vielen Organisationen eine seltsame Macht hat: „Mediation.“
Was dann passiert, ist fast vorhersehbar: Körper richten sich auf, Schultern verspannen sich, manche lächeln gequält. Innerlich geht eine Jalousie herunter. „So schlimm ist es doch gar nicht“, sagt jemand – und Sie wissen: Genau dieser Satz zeigt Ihnen, dass es schlimm ist.
Über diese Dynamik habe ich im Podcast „Pareto Unternehmer“ mit Volker Wefers gesprochen. Wir kamen schnell auf eine gemeinsame Erkenntnis: Konflikte entstehen selten plötzlich. Sie wachsen. Leise, über Wochen, Monate, manchmal Jahre. Und oft so unauffällig, dass niemand klar sagen kann, wann es eigentlich angefangen hat.
Vielleicht haben Sie selbst schon erlebt, wie ein Team im Gesundheitswesen lange trägt, schluckt, kompensiert. Bis es nicht mehr geht. Genau an dieser Stelle setzt ein anderer Weg an: Konfliktklärung. Ein leichteres, alltagsnahes Format, das nicht droht, sondern entlastet. Ein Format, das sagt: Lasst uns reden, bevor wir ein Problem vererben, das uns allen die Arbeit erschwert. Und uns die Lust auf die Arbeit ganz nimmt.

Warum „Konfliktklärung“ oft besser wirkt als „Mediation“
Wenn Sie den Begriff „Mediation“ in ein Team werfen, passiert in vielen Einrichtungen etwas, das man fast körperlich spürt: Er wirkt schwer. Groß. Offiziell. Wie eine Art „Gerichtsbarkeit“, die angerufen wird, wenn nichts anderes mehr möglich ist. Im stressintensiven Alltag von Kliniken und Praxen wirkt dieses Wort schnell wie ein Alarmknopf.
Konfliktklärung dagegen öffnet eine Tür, die viel einladender ist. Sie signalisiert: Es geht nicht darum, Schuldige zu finden. Es geht darum, wieder arbeitsfähig zu werden. Missverständnisse zu sortieren. Emotionen Raum zu geben, ohne sie eskalieren zu lassen. Einen Weg zu finden, auf dem alle Beteiligten wieder atmen können. Es geht um Lösungen.
Ein Beispiel aus einer Facharztpraxis zeigt das eindrücklich: Zwei MFA kommunizierten fast ausschließlich schriftlich miteinander. Aus Angst, ein falsches Wort könne die Situation noch verschlimmern. Als der Praxisinhaber ein „Konfliktklärungsgespräch“ ankündigte, reagierten beide erstaunlich offen. Der Begriff nahm Druck heraus. Plötzlich ging es nicht mehr um Vorwürfe, sondern um Zusammenarbeit.
Wenn Sie an Ihr eigenes Team denken: Welche Begriffe erzeugen Bereitschaft? Welche Widerstand? Und wie verändert sich die Atmosphäre, wenn Sie einen leichteren, menschlicheren Rahmen setzen?
Podcast-Impuls: Warum Konflikte selten neu sind
Im Gespräch mit Volker Wefers habe ich erzählt, dass Konflikte meist eine Geschichte haben.
„Viele Konflikte bestehen seit zwei, drei Jahren – und jetzt geht es einfach nicht mehr.“
Podcast anhören: https://open.spotify.com/episode/15bCGbb3wfESYrAaa8SEFC
Dieser Satz beschreibt die Realität vieler Teams im Gesundheitswesen. Die Energie, die eigentlich für Patienten gebraucht würde, fließt in ungute Schleifen. Vielleicht spüren Sie selbst, wie ein Team langsam aus der Balance gerät. Und vielleicht merken Sie auch: Je früher Sie ansetzen, desto leichter wird es.
Ihre Aufgaben als Führungskraft, bevor externe Hilfe nötig wird
Positive Leadership beginnt nicht erst, wenn alles eskaliert. Sie beginnt im Kleinen. Bei Ihrem Blick, Ihrem Spüren, Ihren ersten Fragen.
Vielleicht haben Sie in letzter Zeit beobachtet, dass jemand häufiger schweigt. Oder dass Übergaben subtil länger dauern. Oder dass eine Kollegin auf einmal alles dokumentiert. Nicht als Absicherung, sondern als Schutz.
Diese frühen Signale sagen oft mehr als lange Gespräche.
In einer Tagesklinik bemerkte der Leiter, dass zwei Mitarbeitende sich bei der Dienstplanung immer wieder verhakten. Es war kein lauter Konflikt, aber ein dauerhaftes Reiben. Ein kurzes Einzelgespräch zeigte, dass beide aus völlig unterschiedlichen Annahmen arbeiteten. Ein Missverständnis. Ein kurzer Moment der Klärung – und die Zusammenarbeit entspannte sich spürbar.
Vielleicht fragen Sie sich gerade: Was habe ich zuletzt bemerkt? Wen sehe ich weniger lachen? Wer weicht Blicken aus? Und was wäre mein leichtester erster Schritt? Manchmal ist dieser Schritt ein Gespräch. Manchmal eine offene Frage. Manchmal nur die innere Entscheidung: „Ich schaue jetzt hin.“
Wann es ohne externe Konfliktklärung nicht mehr geht
Doch es gibt Momente, in denen die interne Klärung an Grenzen stößt. Und das ist kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Führungskompetenz, zu erkennen, wann Sie den Raum nicht mehr neutral halten können.
Im Podcast habe ich es so formuliert: „Immer dann, wenn eine Führungskraft droht, Teil des Konflikts zu werden, braucht es einen neutralen Dritten.“
Manchmal geht es darum, Vertrauen wieder aufzubauen. Manchmal darum, alte Verletzungen zu entschärfen. Manchmal darum, einen jahrelangen Knoten zu lösen, der intern nicht mehr lösbar ist.
Ein Stationsleiter in einer Klinik versuchte ein Jahr lang, zwei langjährige Pflegefachkräfte miteinander ins Gespräch zu bringen. Jede Runde, die er moderierte, endete härter als die vorherige. Erst eine externe Konfliktklärung brachte Ruhe. Aus dem einfachen Grund, weil jemand hinzu kam, der nicht Teil der Geschichte war.
Vielleicht spüren Sie etwas Ähnliches: Wo helfen Ihre Interventionen nicht mehr? Wo dreht sich die Dynamik im Kreis? Wo würde Neutralität Entlastung bringen. Für Sie und für das Team?

Haltung in der Konfliktklärung – klar, zugewandt, entscheidungsfähig
Konfliktklärung ist kein Kuschelkurs. Und Positive Leadership ist kein „Wir reden endlos, bis alle zufrieden sind“. Es geht vielmehr darum, einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem Menschen sich zeigen können. Und in dem Entscheidungen getroffen werden, wenn Wege sich nicht mehr zusammenführen lassen.
Manchmal zeigt sich im Verlauf, dass eine gemeinsame Basis ist nicht mehr möglich. Dann ist es Ihre Aufgabe als Führungskraft, eine Entscheidung zu treffen: personell, strukturell oder organisatorisch. Nicht hart. Aber klar.
Ein Beispiel aus einer Praxisgemeinschaft macht das deutlich: Zwei Ärztinnen hatten völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie Verantwortung aufgeteilt werden sollte. Kein Gespräch brachte sie näher zusammen. Die Führungskraft benannte das offen und entschied, die Zuständigkeiten neu zu ordnen. Plötzlich entspannte sich die Atmosphäre. – Wahrheit schafft Klarheit und Orientierung.
Wenn Sie ehrlich zu sich sind: Welche Entscheidung tragen Sie schon länger mit sich herum? Und was würde passieren, wenn Sie sie aussprechen?
Fazit: Ihr Klärungsimpuls
Vielleicht spüren Sie gerade, während Sie lesen, in welchem Ihrer Teams etwas unausgesprochen bleibt. Wo Menschen durch die Blume sprechen, statt miteinander. Wo Energie verloren geht, die Sie für Patienten, Bewohner oder für die Weiterentwicklung Ihres Bereichs bräuchten.
Konfliktklärung ist selten ein großer Schritt. Meist ist es ein kleiner: ein Satz, der die Tür öffnet. Eine Frage, die Mut macht. Eine Führungskraft, die signalisiert: „Wir schauen hin – gemeinsam.“
Bevor jemand denkt: „Jetzt kommt die große Mediation …“, können Sie längst einen leichteren Weg eröffnen. Einen, der Zusammenarbeit wieder möglich macht und die Kultur stärkt, in der Ihr Team arbeiten möchte.
Wenn Sie spüren, dass in Ihrem Team ein Konflikt Raum braucht — lassen Sie uns sprechen. Oft genügt ein neutraler Blick, um aus Stillstand wieder Bewegung zu machen.
Und wenn Sie tiefer in das Thema Haltung und Kultur einsteigen möchten, empfehle ich Ihnen meinen Blogbeitrag „Führung beginnt mit Haltung – Konfliktkultur stärken“
