Unsichtbare Risiken schlechter Führung – und wie Sie früh gegensteuern

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Unsichtbare Risiken schlechter Führung – und wie Sie früh gegensteuern
Risiken schlechter Führung im Gesundheitswesen früh erkennen

Unsichtbare Risiken schlechter Führung – und wie Sie früh gegensteuern

Wenn kleine Irritationen groß werden

Stellen Sie sich einen ganz normalen Morgen in Ihrer Klinik vor. Die Nacht war hektisch, die Übergabe läuft routiniert – und dennoch liegt Spannung in der Luft. Eine erfahrene Pflegefachkraft reagiert ungewöhnlich knapp. Sie ist kurz angebunden. Ein Arzt beginnt einen Satz, bricht ihn ab und schaut auf die Uhr. So gar nicht seine Art, denken Sie. In der Verwaltung bleibt eine wichtige Mail unbeantwortet, obwohl sie gestern „dringend“ war. Auf den ersten Blick wirkt für Sie alles funktional, und doch spüren Sie einen feinen Riss im Arbeitsalltag. Ein kaum wahrnehmbares Stolpern im Miteinander, nicht erklärbar.

Sie merken es und gehen trotzdem weiter. Weil Termine warten. Weil Entscheidungen drängen. Weil Sie es gewohnt sind, im Takt der Abläufe zu funktionieren. Und vielleicht kennen Sie dieses Gefühl nur zu gut: dass etwas kippen könnte, wenn Sie stehen bleiben.

Aber genau in diesen Momenten beginnen die unsichtbaren Risiken von nicht wahrgenommener Führung im Gesundheitswesen zu wirken. Nicht dann, wenn große Konflikte aufbrechen, sondern weit früher. Dort, wo kleine Irritationen übersehen oder zu schnell abgetan werden. Oder wo einfach keine Zeit war.

Wie oft übergehen Sie dieses diffuse Unbehagen, obwohl Ihr inneres Radar, Ihr Bauchgefühl, längst anschlägt? Und was würde sich verändern, wenn Sie genau an diesem Punkt kurz innehalten?

Positive Leadership beginnt nicht bei großen Programmen, sondern in diesen kleinen Momenten des bewusst Wahrnehmens: Wo steht mein Team gerade? Was läuft gut? Was läuft nicht gut? Wo gibt es offene oder bedeckte Konflikte? Wie fühle ich mich in diesem System? Und was braucht es jetzt, damit wir gemeinsam wieder in eine konstruktive Richtung gehen?

Wenn Schweigen lauter ist als Worte

Vielleicht haben Sie es schon erlebt: Eine Teamsitzung, in der kaum jemand etwas sagt, obwohl offensichtlich Gesprächsbedarf besteht. Schweigen bedeutet nicht automatisch Zustimmung. Eine Übergabe, die plötzlich auffällig kurz wird. Eine Kollegin, die früher herzlich grüßte, nun aber vermeidet, Ihnen in die Augen zu schauen. Nichts davon ist laut – und gerade deshalb wirkt es so stark.

In vielen Praxen, Kliniken und ambulanten Pflegediensten ist Schweigen eine Form der Selbstschutzstrategie. Menschen ziehen sich zurück, weil sie nicht sicher sind, ob ihre Gedanken erwünscht sind. Oder weil sie nicht riskieren wollen, in bestehenden Spannungen zu polarisieren. Oder weil sie innerlich bereits gekündigt habe. Manche spüren Überlastung, andere fühlen sich übergangen, wieder andere haben den Eindruck, dass Kritik ohnehin nicht gehört wird.

Ich erinnere mich an eine Praxisinhaberin, die mir erzählte, eine ihrer MFA habe sich über Wochen „leise verabschiedet“. Kein Streit, keine Eskalation. Nur ein fortschreitender Rückzug. Der Klassiker der inneren Kündigung. Erst im Abschlussgespräch wurde klar, dass sie sich seit langer Zeit nicht wertgeschätzt fühlte. Es war nicht „die eine Sache“, die fehlte. Es war das dauerhaft Nicht-Gesagte. Oder anders gesagt, die nicht wahrgenommene Führung.

Unsichtbare Risiken schlechter Führung – und wie Sie früh gegensteuern
Team schweigt in Besprechung – Hinweis auf Risiken schlechter Führung im Gesundheitswesen (Foto: Kampus, Pexels)

Vielleicht kennen Sie solche Szenen. Vielleicht haben Sie sogar selbst schon gespürt, wie Kommunikation dünner wird, Entscheidungen, wenn überhaupt, langsamer fallen und die Klarheit im Miteinander schwindet. Und damit auch die Richtung. Wenn das geschieht, geschieht es nie zufällig. Es ist ein Spiegel dafür, wie sicher Menschen sich fühlen. Und wie gut Führung Orientierung und Vertrauen gibt.

Fragen Sie sich gern einen Moment: Wo haben Sie in Ihrem Team zuletzt bemerkt, dass Schweigen deutlicher gesprochen hat als Worte. Was hat es in Ihnen ausgelöst? Und was hat das mit Ihnen als verantwortliche Führungskraft zu tun?

Führung als Sicherheitsventil – warum Instabilität teuer wird

Führung im Gesundheitswesen ist weit mehr als die Koordination von Abläufen. Sie ist ein Sicherheitsventil in einem hochdynamischen, hochbelasteten System. Wenn dieses Ventil funktioniert, entsteht Klarheit. Wenn es instabil wird, steigt der Druck. Emotional, organisatorisch und finanziell.

Viele Führungskräfte berichten mir, dass Konfliktklärungen in ihren Teams erstaunlich selten an Inhalten scheitern. Viel häufiger scheitern sie an etwas anderem: an fehlender Orientierung. An mangelnder Rückmeldung. An unklaren Zuständigkeiten. Oder schlicht daran, dass niemand den Mut hatte, eine irritierende Situation früh anzusprechen.

Die Auswirkungen sind erheblich. Instabile Führung bedeutet, dass Informationen verzerrt oder verspätet ankommen. Dass Teams nicht wissen, woran sie sind. Dass Menschen sich nicht sicher fühlen. Und genau diese Mischung gefährdet das, was im Gesundheitswesen am sensibelsten ist: Vertrauen, Qualität, Patientensicherheit. Und am Ende auch die Wirtschaftlichkeit.

Instabile Führung „produziert“ nachweisbar mehr Fehlzeiten. Das lässt sich in fast jeder Organisation messen. Stabile Teams, in denen die Mitarbeiter sich wertgeschätzt fühlen, Sinn empfinden in dem, was sie tun, ein gemeinsames Ziel verfolgen und Erfolge sichtbar gemacht werden, hat signifikant geringere Abwesenheitszeiten als instabile und konfliktbelastete Teams.

In Zeiten, in denen Mitarbeiter das wertvollste Gut eines Hauses sind – denn ohne geht es nicht – sollten Führungskräfte sich fragen, was sie persönlich tun können, um für das Team einen Rahmen zu schaffen, in dem die Mitarbeiter gerne arbeiten, Wertschätzung für das Geleistete erfahren, Perspektiven entwickeln und ihren Beitrag zum Gesamten kennen.

Vielleicht haben Sie schon einmal erlebt, wie ein Team plötzlich deutlich angespannter wirkte, nachdem eine Führungskraft längere Zeit unklar kommuniziert hatte. Oder wie sich Stations- und Praxisabläufe verlangsamen, wenn die gemeinsame Richtung nicht mehr eindeutig ist. Instabilität kostet Energie. Und Energie ist im Gesundheitswesen eine knappe Ressource.

Wenn Sie als Führungskraft bewusst stabilisieren, werden Sie für Ihr Team zu einem Orientierungspunkt. Das ist keine zusätzliche Aufgabe, sondern ein integraler Teil Ihrer Führungsverantwortung. Positive Leadership setzt genau hier an: indem Sie Sicherheit schaffen, bevor Unsicherheit Überhand nimmt.

Und vielleicht spüren Sie, während Sie diesen Abschnitt lesen, eine Frage in sich aufsteigen: Wie viel Ihrer eigenen Führung wirkt heute stabilisierend? Und wo könnte sie noch klarer sein?

Frühwarnzeichen instabiler Führung ernst nehmen

Bevor ein Team offen Konflikte zeigt, bevor Menschen kündigen oder bevor Fehler zunehmen, kündigen sich Veränderungen leise an. Diese Frühwarnzeichen sind selten angenehm, aber sie sind wertvoll. Denn sie zeigen an, dass im System etwas gesehen werden möchte.

Vielleicht merken Sie, dass Entscheidungen auffällig oft nach oben geschoben werden. Nicht, weil Ihr Team unselbstständig wäre, sondern weil Sicherheit fehlt. Vielleicht kommen Informationen zu spät oder unvollständig bei Ihnen an. Vielleicht werden Übergaben unpräziser. Vielleicht mehren sich kleine Beschwerden, die niemand richtig einordnet, weil sie „schon irgendwie passen“. Und schon werden Sie zum Flaschenhals. 

In einem ambulanten Dienst erzählte mir eine Pflegedienstleitung von genau solch einem Muster. Sie ignorierte die Signale lange, weil sie glaubte, keine Zeit dafür zu haben. Erst als zwei ihrer erfahrensten Fachkräfte gingen, stellte sie fest: Die Hinweise waren deutlich. Nur nicht laut.

Wenn Sie dieses Thema vertiefen möchten, finden Sie in meinem Blogbeitrag Frühwarnzeichen von Demotivation im Gesundheitswesen einen weiterführenden Impuls: www.dabrock-consulting.de/fruehwarnzeichen-demotivation-erkennen/

Wie schnell verharmlosen wir kleine Irritationen, obwohl sie im Grunde klare Botschaften sind? Wie oft spüren Sie, dass etwas nicht rundläuft, und hoffen gleichzeitig, dass es sich schon von selbst beruhigen wird?

Frühwarnzeichen sind wie kleine Wegweiser. Sie zeigen an, wo Beziehung, Struktur oder Kommunikation gerade nachjustiert werden wollen. Es braucht Mut, sie anzusehen. Aber dieser Mut zahlt sich aus. Für Sie. Für Ihr Team. Für Ihre Einrichtung.

Vielleicht möchten Sie jetzt kurz innehalten und sich fragen: Welche dieser Frühwarnzeichen tauchen in Ihrem Alltag immer wieder auf? Und was würden Sie verändern, wenn Sie sie konsequenter ernst nehmen würden?

Ein Mini-Tool: Das 24-Stunden-Klärungsgespräch

Manchmal braucht es keine große Prozessveränderung, sondern ein kleines, ehrliches Gespräch zur rechten Zeit. Genau das leistet das 24-Stunden-Klärungsgespräch. Ein Instrument, das ich vielen Führungskräften empfehle, weil es einfach, klar und hochwirksam ist.

Es folgt fünf Schritten:

Schritt 1: Wahrnehmen – Machen Sie bewusst, was Sie irritiert hat.

Schritt 2: Ansprechen – Sagen Sie kurz und wertschätzend, dass Ihnen etwas aufgefallen ist.

Schritt 3: Beschreiben – Schildern Sie konkret, was passiert ist. Ohne Interpretation.

Schritt 4: Interesse klären – Fragen Sie nach, was die andere Person bewegt hat.

Schritt 5: Lösung vereinbaren – Halten Sie gemeinsam fest, was sich ändern soll. Und bis wann.

Drei Personen im Dialog – Tool für gesunde, mitarbeiterorientierte Führungskultur entwickeln
Ein Mini-Tool: Das 24-Stunden-Klärungsgespräch (Foto: Cottonbro, Pexels)

Dieses kleine Gespräch ist ein echter Gamechanger. In Praxen, Kliniken und ambulanten Diensten wirkt es oft wie ein kurzes Lüften in einem stickigen Raum: Plötzlich entsteht wieder Klarheit, und Spannungen lösen sich auf, bevor sie größer werden.

Vielleicht gibt es in Ihrem Team gerade ein Thema, das Sie seit Tagen mit sich herumtragen. Ein Satz, der Sie irritiert hat. Eine Entscheidung, die nicht nachvollziehbar war. Eine Stimmung, die schwer greifbar ist.

Was würde passieren, wenn Sie dieses Thema innerhalb der nächsten 24 Stunden ansprechen würden?

Fazit: Führung spricht – oder sie schweigt

Führung wird dort riskant, wo sie schweigt, obwohl etwas gesagt werden müsste. Und sie wird zur wertvollen Ressource, wenn Sie bewusst hinhören, kleine Spannungen ernst nehmen und früh klären, was sich im Miteinander verändert hat.

Die unsichtbaren Risiken schlechter Führung im Gesundheitswesen beginnen nicht bei großen Konflikten. Sondern in den vielen kleinen Momenten, in denen Teams Orientierung suchen. Und genau dort können Sie ansetzen. Mit Klarheit, Empathie und einer Haltung, die Menschen stärkt.

Vielleicht gibt es in Ihrem Team ein kleines, ungelöstes Thema, das heute einen ersten Schritt verdient hätte. Vielleicht reicht ein kurzes Gespräch, um etwas zu verändern. Bei welchem offenen Punkt würden Sie heute ein 24-Stunden-Klärungsgespräch führen – wenn Sie sich dazu entscheiden?

Wenn Sie möchten, unterstütze ich Sie dabei, eine gesunde, mitarbeiterorientierte Führungskultur zu entwickeln und Risiken im Führungsalltag früh zu erkennen. Schreiben Sie mir. Oder rufen Sie mich an.

Ludger Dabrock

Ludger Dabrock

Für mich geht es immer um Menschen. Und um positive Führung, die für Ergebnisse sorgt. – Mit einem Konzept, das auf die konkrete Situation in Ihrem Unternehmen maßgeschneidert ist und das Sie sofort umsetzen können.
 
Sicher. Positiv. Führen.